Pisarski.................. Der polnische Adel unter der russischen Herrschaft Das
im Jahre 1815 vom Wiener Kongreß als Königreich Polen konstituierte
Land an der mittleren Weichsel wurde bezüglich seines Adelsstandes
in einem besonderen Heroldsamt in Warschau zusammengefaßt. Das
unselbständige Staatsgebilde wurde vom russischen Zaren aus dem
Hause Romanow zuerst im Jahre 1836 (nach dem ersten fehlgeschlagenen
polnischen Aufstand) und dann 1863 nach dem zweiten Aufstand immer
merklicher dem russischen Kernland zugeschlagen. Schon Jahre zuvor
wurden die polnischen Verwaltungseinheiten (Wojewodschaften und Powiate)
in sogenannte Gubernien umgewandelt. Schon im 16. Jahrhundert erfolgte der Versuch einer zentralisierten Verwaltung in Rußland. Es wurden Strelitzen-Einheiten gebildet, das waren mit Waffen ausgerüstete Handwerker und Gewerbler, die zwar selbst für Ihren Lebensunterhalt aufkommen mußten, dafür aber von Abgaben und Leistungen befreit wurden. Eine Besoldung - meist in Naturalien - erhielten sie nur im Kriegsfall. Die Strelitzen wurden zu einem erblichen privilegierten Stand in der russischen Gesellschaft. Die Bojaren (Hochadel) bildeten ein vom Zaren berufenes Gremium aus Vertretern des Hochadels mit beratender Funktion. Diese letztere Gruppe bildete die sogenannte Bojarenduma (Versammlung der Bojaren). Laut Berechnungen gab es in den neunziger Jahren des 18. Jahrhunderts etwa 16.000 Beamte und rund 15.000 Offiziere. Unter Zar Peter I. war der russische Adel zu lebenslänglichem Dienst im Militär- und Staatsapparat verpflichtet. Dem Zaren und seiner Familie selbst standen die Leistungen von etwa 415.000 männlichen Hofbauern (dvorcovye krest'jane), die als steuerpflichtige Unfreie auf den Besitzungen der Romanow-Dynastie arbeiteten und von etwa einer Million Staatsbauern männlichen Geschlechts, die als persönlich Freie die Feudalrente unmittelbar an den Staat entrichteten, zur Verfügung. Der Zar konnte außerdem auf Einkünfte aus Regalien, sonstige Abgaben und den Umsatz staatlicher Manufakturen rechnen. Das
alte russische Bojarentum wurde im Laufe der Jahrhunderte vom Zarentum
rigoros dezimiert. Im Jahre 1785 wurde eine Reorganisation des russischen
Adelsstandes vorgenommen, die eigentlich den Charakter der Bildung
eines neuen Standes besaß, nämlich den eines ausdrücklich
Militär- und Beamtenadels und sich nur noch geringfügig
an die Reste des alten Bojarentums anlehnte. Betroffen von diesen
Maßnahmen war auch der polnische Adel, der reich, wohlhabend,
leidlich wohlhabend, arm oder auch gänzlich verarmt war und vorher
schon immer von seinen politischen Rechten Gebrauch gemacht hatte. Ein
erster Schlag für ihn war die Forderung aus dem Jahre 1800, Nachweise
für seinen Adel beizubringen, eine Forderung, die selbst
für den besitzenden Adel schwer zu erfüllen, für die
große Mehrzahl des Kleinadels aber fast gar nicht möglich
war. "...bei
mir nach dem Patent zu fragen, wann ich adlig gewesen sei? Gott allein
kann das noch wissen! Soll der "Moskal" in den Wald gehen
und den Eichenwald fragen, wer ihm das Patent verlieh, über alles
Gestrüpp hinauszuwachsen. So stöhnte der Adel aus Dobrzyn
in der Schenke bei Jankiej." Der Erlaß vom 11.November 1832 teilte den Adel, der als "dvorjane" anerkannt wurde, in zwei Gruppen ein, nämlich in die Besitzenden und die ohne Besitz; mit dem Vorbehalt, daß die Rechtslage der zweiten Kategorie später geklärt werden würde. Aber selbst gegenüber den "dvorjane", die dem Landadel angehörten, verhielt man sich sehr mißtrauisch. Das Legitimierungsverfahren war mit vielen Schwierigkeiten verbunden und zog sich jahrelang hin. Die Tätigkeit des Heroldsamtes führte dazu, daß der letztgenannten Kategorie des Adels nicht nur die Rechte des natürlichen Zuwachses nicht mehr zustanden, sondern sie auch in absoluten Zahlen abnahm. Alle Adeligen sollten und mußten sich nun in das russische Adelsregister des zuständigen Gouvernements eintragen lassen. Verweigert wurde der Eintrag den Anführern des Aufstandes sowie den Adeligen, welche die hohen Steuern des russischen Heroldsamtes nicht zahlen wollten oder konnten. So entstand eine Klasse des unregistrierten Adels, der jetzt natürlich offiziell nicht mehr existierte. In dieser Zeit wanderten viele Adelige ins Ausland ab, ein nicht geringer Teil nach Preußen, wo er aller-dings meist vergeblich versuchte, seinen Adel anerkennen zu lassen. Neue Veränderungen brachte das Jahr 1863. Durch eine Entscheidung des russischen Staatsrats wurden die Stände der "odnodvorcy" und der "grazdane" aufgehoben und der diese Stände bildende Kleinadel wurde den ländlichen und städtischen Gemeinden mit den für sie geltenden Rechten einverleibt. Das geschah bereits nach der Aufhebung der Leibeigenschaft und bedeutete für den armen Kleinadel einen offensichtlichen Nutzen, denn auf diese Weise wurde er der speziellen Aufsicht der Regierung entzogen und die Ausnahmerechte wurden auf ihn grundsätzlich nicht mehr angewandt. In derselben Zeit verschwand der Adel ohne Nachweis endgültig aus den Registern. Doch außer diesen Maßnahme bediente sich Rußland auch des Mittels der Deportation. Die ersten Deportierungen des Kleinadels in Innere Rußlands fand bereits in der Zeit der ersten Teilung Polens statt. Die letzten Deportierungen nach der dritten Teilung wurden nach dem plötzlichen Tod der Kaiserin Katharina unterbrochen, weil Kaiser Paul gegenüber Polen eine ganz andere politische Richtung einschlug. Aufs neue begann man mit zwangsweisen Umsiedlungen im Jahre 1832 und setzte sie bis 1849 fort, wobei mindestens 54.000 "odnodvorcy" und "grazdane" ausgesiedelt wurden. Nach der Niederschlagung des Januaraufstands 1863 wurde diese Aktion wieder aufgenommen. Außerdem wurden während des Novemberaufstandes den Kleinadeligen, die mit der Waffe in der Hand aufgegriffen wurden, die Söhne fortgenommen und zwecks Entnationalisierung in militärische Erziehungsanstalten gesteckt. Eine andere Repressalie war die Rekrutenaushebung. Regierungserlasse ordneten die Aushebung derjenigen an, die den Behörden als unsicher und verdächtig auffielen. Auf Grund dieser Anordnung wurden in den Jahren 1834 bis 1853 von je 1.000 Kleinadligen, die keine Adelsrechte mehr besaßen, 200 Rekruten zum Heeresdienst eingezogen (20 %). Der Anteil an herangezogenen Rekruten in der übrigen Bevölkerung betrug nur 75 von 1000 Personen (0,75 %). Angesichts der damaligen langen (25 Jahre dauernden) Militärdienstzeit bedeutete die Einberufung zum Militärdienst praktisch den biologischen Verlust für eine Familie. Der Zersetzungsprozeß des polnischen Kleinadels beschleunigte sich noch dadurch, daß dieser nicht legitimierte Adel sich fast in seiner Gesamtheit im russischen Teilgebiet befand und die Russen ihn aus seinem Stand rasch entfernten. Der reichere polnische Landadel verkümmerte zum sich später bildenden landwirtschaftlichen Bürgertum. Die Staatsgrenzen sollten in Deckung mit den Standesgrenzen gebracht werden. Der zinspflichtige und der bäuerliche polnische Adel, der nicht ins Innere Rußlands ausgesiedelt wurde, verbauerte. Auch
der "Steinpflasteradel" verschwand, indem er ohne irgendwelche
Umstände im städtischen Milieu aufging. Der als Hauspersonal
vorher existierende Adel zerstreute sich angesichts der plötzlichen
Liquidierung der Herrenhöfe in alle Welt, wobei er zum Teil ins
ländliche und städtische Proletariat herabsank und äußerste
Not litt. Nicht selten fand dieser Adel den einzigen Ausweg in der
Funktion des "szabes gojs", also desjenigen, der für
die Juden solche Tätigkeiten verrichtete, die diesen am Sabbat
durch religiöse Vorschriften verboten waren. Aus dieser Zeit
ist die Redensart überliefert: "Ich will lieber für
Juden Wasser tragen ..." Die Möglichkeit mit Vieh- und Weizenhandel im Exporthafen Odessas vom Klein- zum besitzenden Landadel aufzusteigen, nahmen viele Adlige (vor allem Gutsadlige) wahr, denen diese Möglichkeit der zusätzlichen Bereicherung weit offener standen. Die Steigerung des landwirtschaftlichen Niveaus auf den Gütern war nur bedingt möglich, denn der fronpflichtige Bauer arbeitete nur ungern und ohne große Überzeugung auf den Böden seines Herrn. Um die Effektivität zu steigern, vergrößerte man die bestellte Bodenfläche, indem man dem Bauern Ackerland wegnahm, das sie für den Eigenbedarf brauchten. Mit diesem "Bauernlegen" stiegen die Lasten des Frondienstes. Das Ergebnis war eine Verarmung des Dorfes und eine Verhärtung sozialer Grenzen. Anders gestaltete sich die Situation für den polnischen Adel in Preußen. Dieser Staat nahm früher als alle anderen Teilungsmächte eine Reform der bäuerlichen Verhältnisse vor. Der Erlaß aus dem Jahre 1807 hob die Leibeigenschaft der Bauern auf und gestattete dem Adeligen, ohne Nachteile für seinen Adelsstand städtischen Gewerben und Beschäftigungen nachzugehen, was hauptsächlich jetzt vom polnischen Adel in Anspruch genommen wurde. Den Bauern und Bürgern erlaubte man den Erwerb von Grund und Boden. Anfänglich hatte man den Frondienst durch Zinspflichten verschiedener Art ersetzt, die erst nach der Revolution des Jahres 1848 aufgehoben wurden. Im
österreichischen Teilungsgebiet traten die Veränderungen
für den Adel plötzlicher ein. Im
Kaiserreich Rußland erfolgte die Eigentumsverleihung im Jahre
1861, in Kongreßpolen aber erst drei Jahre später. Der
Beschluß zur Eigentumsverleihung wurde durch den Ausbruch des
Januaraufstands noch forciert. Ein Gesetz vom März 1864 erkannte
fast allen Schichten der Landbevölkerung grundsätzlich Entschädigung
und gleichzeitig mit Aufhebung aller mit dem Grund Boden verbundenen
Verpflichtungen Land zu. Die Eigentumsverleihung umfaßte nur
Ackerland und ließ die Frage der Wälder und Wiesen offen,
die dann mit Hilfe der sogenannter Servitute, also der Berechtigung
der Bauern, die Wald- und Wiesengebiete, die Eigentum des Gutshofes
blieben, zu nutzen, gelöst wurde. Diese Servitute (Belastung
durch Grundstücke) trugen zu einer Verschärfung des Klassenkampfes
zwischen Dorf und Gutshof bei. Er blieb in formaler Hinsicht noch lange bestehen, bis zum Zusammenbruch der Autokratie in Rußland und dem der Monarchien in den Teilungsmächten. In der Folgezeit setzte sich diese Entwicklung fort. Der polnische Staat schaffte die Adelstitel, die Adelsrechte und Wappen mit dem Artikel 96 der polnischen Staatsverfassung vom 21.März 1921 offiziell ab. Am 22.März 1935 hob zwar die polnische Staatsverfassung die adelsrechtlichen Bestimmungen von 1921 wieder auf und ließ die Adelstitel wieder standesamtlich beurkunden und staatlich anerkennen, doch die "Sozialisierung" in Polen, die nach dem zweiten Weltkrieg einsetzte, bedeutete endgültig das Ende des polnischen Adels.
Titulierungen des russischen Adels Im folgenden Abschnitt ein kleiner Exkurs zu den historischen Möglichkeiten, in Rußland einen Adelstitel zu führen. Laut Registern des Kaiserl. Russischen Heroldsamts (amtlicher Bestand von 1896) waren berechtigt, Titel zu tragen: Herzöge:
Dies waren z. B. auch einzelne in Russland eingebürgerte Zweige
bzw. Vertreter der deutschen Reichsfürstendynastien Oldenburg,
Mecklenburg und Leuchtenberg. Als nahe Verwandte der Zarenfamilie
der Holstein-Gottorp-Romanows stand ihnen zumeist die Anrede: "Kaiserliche
Hoheit", ihren ferneren Nachkommen die Anrede "Hoheit"
zu. Die
Gesamtzahl der Grafengeschlechter, welche unter dem Szepter der russischen
Kaiser im 19.Jahrhundert bestanden haben, betrug etwa 300; ein Drittel
von diesen Geschlechtern waren deutscher Herkunft, und nur zwei Drittel
russischer, polnischer oder finnländisch-schwedischer und anderer
ausländischer Herkunft.
Der Adelsname in historischer und gesetzlicher Sicht Der Adel im Allgemeinen, somit auch der polnische, war erblich. Er übertrug sich durch Blutsnachkommenschaft. Die Merkmale des polnischen Adelsnamens waren ab dem 15.Jahrhundert, die Partikel "-ski" und "-cki." Wichtig ist aber, daß der allergrößte Teil solcher polnischer Namen mit diesen Endungen rein bürgerliche Herkunftsnamen sind, also nur die Eigenschaft seines Trägers, die Herkunft über den Ort oder das Gebiet herleiten. Denn im Gegensatz zu Deutschland folgte der nichtadelige Untertan den Gewohnheiten seines Herren ab dem 15.Jahrhundert, sich ebenfalls die beiden Partikel "-ski" oder "-cki" zuzulegen. Alle Träger dieser Namen sind oder waren nie adelig, bzw. waren nie von adeliger polnischer Herkunft oder Abstammung. Wir unterscheiden daher die den polnischen Wappen beigegebenen Namen als Stammbezeichnungen der Familien sowie die seit Anfang des 15.Jahrhunderts in Gebrauch gekommenen Namensteile mit den Endungen "-ski" und "-cki" als bloße Besitz-Zunamen. Die Letztgenannten waren in den darauf folgenden Zeiten einem vielfachen Wechsel unterworfen. Daher gibt es eine große Zahl "sich nennender" Familien, die ein und dasselbe Wappen führen und auch Zweige eines und desselben Stammes sind. Außerdem ist aber auch die Sitte des polnischen Adels bekannt, mit Zustimmung aller Glieder der das männliche Wappen führenden Familien und durch die Einwilligung der Reichsstände, Personen, die sich durch große Verdienste auszeichneten, in das Wappen eines existierenden Geschlechts aufzunehmen. Daher kann man nicht bei allen Familien gleichen Wappens auf den gleichen Ursprung schließen. Zu Zeiten der Teilungen Polens führten manche Adelsfamilien, die sich in Deutschland niedergelassen hatten, ihren Namen polnisch und deutsch, zum Beispiel "von Bnin Bninski", "von Kuczkow Kuczkowski" usw. Die Polen ihrerseits neigten dazu, fremde Namen zu polonisieren, indem sie das deutsche "von" durch das polnische "-ski" ersetzten. So wurde zum Beispiel aus v.Waldow "Waldowski", oder aus v.Krockow "Krockowski". Andererseits sind Schreibweisen wie "v.Krockowski" nicht korrekt, da das "-ski" schon für das deutsche "v." steht. Nicht alle polnischen Adelsnamenträger waren von Blutadel. Adoptivkinder bürgerlicher Herkunft bildeten eine Ausnahme im biologischen Adelsrecht. Sie führten zwar vom Namensrecht her legal den Adelsnamen ihrer Adoptiveltern, aber ohne von gebürtigem Adel zu sein, denn der polnische Adel ist Blutsadel. Dagegen kann man nichteheliche Kinder adeliger Eltern biologisch gesehen zum Blutsadel rechnen. Werner Zurek
zitiert aus:Kleiner geschichtlicher Abriß zum polnischen Adelswesen von Werner Zurek h Szur
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